Fit für die Zukunft
Die Prozessautomatisierung repräsentiert mehr als 10% der Elektroindustrie, der zweitgrößten deutschen Industriebranche, und hat einen wesentlichen Anteil am Erfolg der Automation. Messtechnik und Prozessautomation erwirtschafteten 2011 einen Umsatz von 17,8 Mrd. Euro. Insbesondere ihr Beitrag zu einer energieeffizienten und umweltgerechten Produktion macht Prozessleitsysteme heute zum unverzichtbaren Faktor in der Prozessindustrie. So ist auf der diesjährigen SPS IPC Drives Nachhaltigkeit ein zentrales Thema.
chemie&more war im Gespräch mit Michael Ziesemer, Geschäftsführer bei Endress + Hauser und Aus- stellerbeiratsmitglied der SPS IPC Drives über Herausforderungen und Trends der Branche.
„Ohne Kommunikation geht nichts mehr in der Automatisierung.“
chemie&more: Der Fokus unseres Magazins liegt im Bereich der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Wo sehen Sie gerade in dieser Branche neue Herausforderung für die Automatisierungstechnik? Welche Probleme sind zu meistern?
Michael Ziesemer: Es gibt eine Reihe von Herausforderungen für die chemische und pharmazeutische Industrie. Die Standorte in Europa müssen im harten globalen Wettbewerb bestehen. Ein zentrales Thema sind dabei die Kosten – sowohl was die Kapitalkosten anbetrifft als auch die operativen Kosten. Nehmen Sie als Beispiel die Instandhaltungskosten der Anlagen. Deshalb werden die IT-Unterstützung der Prozesse und der Einsatz von Plant Asset-Managementsystemen (PAM) unabdingbar. Wichtig sind aber auch die Kosten für Energie und Rohstoffe. Deshalb ist die ressourceneffiziente Produktion so wichtig. Auch hier ist Prozessautomatisierung ein zentraler Treiber. Dabei fängt alles mit umfassender Information an. Man muss wissen was wann und wo verbraucht wird. Die Einführung von Energie- und Rohstoff-Monitoringsystemen steht deshalb häufig am Beginn der Optimierung.
Neue Prozesse und Verfahren erfordern neue Systeme und Automatisierungslösungen. Welche Themen und Trends zeigt die diesjährige SPS IPC Drives als eine der wichtigsten Leitmessen auf dem Gebiet der elektrischen Automation auf? Welche neuen Impulse erhoffen Sie sich für die Branche – speziell im Hinblick auf die chemische Prozesstechnik?
Die Branche ist in einem guten Zustand. Auch gegenwärtig wächst sie, wenn auch nicht mehr zweistellig wie in den beiden Vorjahren. Die SPS IPC Drives wird ihr weitere Impulse verleihen.
Wichtige Trends sind die Integration von Automatisierung und IT. Der Trend zu einem „Internet der Dinge“ und der „Industrie 4.0“ sind hier wichtige Stichworte. Nehmen wir als Beispiel einen Instandhaltungsauftrag. Der wird vielleicht ausgelöst durch eine Meldung eines Sensors in der Anlage an das Plant Asset-Managementsystem. Nun muss ein Auftrag für die Instandhaltung im ERP-System angelegt werden – beispielsweise im PM-Modul von SAP – und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen im ERP-System geprüft werden. Schließlich müssen die technischen Dokumente für den Sensor ermittelt werden – beispielsweise über einen Webzugriff auf die Datenbasis, die der Hersteller zur Verfügung stellt.
Wir sehen also: IT und Automatisierung sind eng vernetzt.
Ein weiterer wichtiger Trend ist die drahtlose Automatisierung, die im Bereich der Sensorik vor allem dem Standard „Wireless HART“ folgt.
Wie beeinflussen mobile Kommunikation und Social Media die Prozessleit-technik und welche Möglichkeiten entstehen dadurch?
Ohne Kommunikation geht nichts mehr in der Automatisierung. Ethernet ist die Grundlage dafür und ersetzt alte Protokolle wie beispielsweise PROFIBUS DP.
Social Media sind dagegen für uns noch der Anfang. Aber Videos über „Youtube“ (eventuell mit „Augmented Reality“) können die Ausbildung oder die Instandhaltung vereinfachen. Ich sehe auch, dass in „Linkedin“ verschiedene „Communities“ entstanden sind, die Themen der Prozessautomatisierung diskutieren.
Wie sehen Sie die zukünftigen Chancen der deutschen Unternehmen der Prozessautomatisierung auf dem Weltmarkt?
Die wichtigsten Firmen der Branche kommen aus den USA, Japan und Deutschland. Dabei haben die Unternehmen mit deutschen oder europäischen Wurzeln – global agieren sie alle – in den letzten Jahren Marktanteile gewonnen. Wir setzen konsequent auf Innovation – das zahlt sich aus. Und wir setzen auf Nachhaltigkeit – auch das zahlt sich aus. Die Eigenkapitalquote der deutschen Hersteller ist heute 10 Punkte höher als vor 10 Jahren. Auch noch sehr wichtig ist unser hervorragendes Ausbildungsysystem – von der dualen Ausbildung bis zu den Hochschulen.
Aber es gibt auch Risiken, der Fachkräftemangel macht uns große Sorgen. Wir müssen es schaffen, dass die Zahl der Studienanfänger in der E-Technik erhöht und jene, der Studienabbrecher, verringert wird. Wir müssen es auch schaffen, dass junge Damen dieses Studienfach vermehrt wählen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
(Interview: Lukas Hamm/Claudia Schiller)
Foto: © istockphoto.com| iLexx
Stichwörter:
Prozessautomatisierung, Elektroindustrie, SPS IPC Drives, Nachhaltigkeit, Automatisierungstechnik, Plant Asset-Managementsystem, PAM, ressourceneffiziente Produktion, ERP-System, Ethernet, PROFIBUS DP,
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