Holz als Rohstoff für die chemische IndustrieNeue StrategienIndustriezweige wie die chemische Industrie, die stark vom Erdöl abhängen, suchen nach alternativen Rohstoffquellen. Holz, nachhaltig und in relevanten Mengen verfügbar, bietet eine Basis für eine alternative Herstellung von Plattformchemikalien. Nach dem Konzept der Bioraffinerie wird es ähnlich wie in einer erdölbasierten Raffinerie in seine Grundbestandteile Cellulose, Hemicellulose und Lignin fraktioniert und zu Grundstoffen oder komplexen Zwischenstoffen für die chemische Industrie umgewandelt. Hierfür sind neuartige biotechnologische und chemische Synthese- und Prozessstrategien notwendig. Herausforderung Pro Jahr werden in der chemischen Industrie heute weltweit und in allen Bereichen 60 Mrd. Tonnen an Rohstoffen verbraucht. Vorwiegend werden kostengünstige Stoffströme aus der Erdöl verarbeitenden Industrie genutzt, um Basischemikalien herzustellen. Der Anteil an nachwachsenden Rohstoffen beläuft sich in Deutschland derzeit auf 13% der Rohstoffbasis – mit einem erwarteten Wachstum auf bis zu 20% im Jahr 2030 [1]. Die immer stärker werdende Forderung nach einem vermehrten Einsatz nachwachsender Rohstoffe wird unter anderem durch den ansteigenden Ölpreis und dem Wunsch nach einer verminderten Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten sowie der Reduzierung von CO2-Emissionen aus fossilen Kohlenstoffquellen als Beitrag zum Klimaschutz getrieben. Die Hoffnung ruht maßgeblich auf Biomasse, die nicht als Futter, Lebensmittel oder zur Lebensmittelherstellung benötigt wird und als Rohstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung steht. Hierbei spielen lignocellulosehaltige Biomassen wie Holz oder Stroh eine wesentliche Rolle. Allein in Europa wurden 2010 jährlich 229 Mio.t Holz im Bereich der stofflichen Nutzung verwendet, Tendenz steigend [2]. Derzeitige Verfahren zur Herstellung chemisch-technischer Produkte aus lignocellulosehaltigen Rohstoffen sind jedoch ausschließlich auf die Gewinnung von Zellstoff ausgerichtet und nicht auf die ganzheitliche Nutzung aller Inhaltstoffe. Deshalb bedingt die vollständige kaskadenartige Nutzung des Rohstoffes Holz neuartige Aufschlussverfahren sowie biotechnologische und chemische Synthesestrategien und Herstellungsprozesse, um chemische Produkte effizient herzustellen. Wie in bestehenden Raffinerien aus Erdöl verschiedene Chemieprodukte erzeugt werden, sollen in Zukunft auch Bioraffinerien ein vielfältiges Produktspektrum abbilden und gleichzeitig die bereits bestehenden Produktions- und Infrastrukturen der Kohle- und Erdölchemie ergänzen.
Abb.1 Verfahrensübersicht der Lignocellulose-Bioraffinerie-Pilotanlage am Fraunhofer CBP; Aufschluss und Fraktionierung von Lignocellulose zur Herstellung von Cellulose, Hemicellulose und Lignin; enzymatische Hydrolyse von Cellulose zu Glucose.
Abb.2 Teilansicht der Lignocellulose-Bioraffinerie Pilotanlage: Cellulosewaschtank (1400 L) zur Aufreinigung der Cellulosefasern inklusive Einheit zur Faserentwässerung.
Abb.3 Aromatenfraktion aus der basenkatalytischen Spaltung von Lignin, Herstellung funktionalisierter monomerer, dimerer und oligomerer aromatischer Verbindungen.
Lignocellulose Bioraffinerie – Holz in seine Bestandteile zerlegt Die drei Hauptbestandteile der Lignocellulose – Cellulose, Hemicellulose und Lignin – bieten interessante Möglichkeiten für die Herstellung von chemischen Produkten wie Polymeren, Klebstoffen, Tensiden oder Lösungsmitteln. Für deren Aufschluss stehen neben gängigen Zellstoffprozessen zahlreiche Verfahren zur Verfügung. Keines dieser technischen Verfahren kann jedoch bisher die vollständige stoffliche Nutzung der einzelnen Komponenten abbilden [3]. Das am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP verfolgte Konzept der Lignocellulose-Bioraffinerie zielt auf die Herstellung biobasierter Synthesebausteine mit gleichwertiger Nutzung aller Hauptkomponenten des Rohstoffes Lignocellulose und stellt damit die erstmalige Etablierung eines wirtschaftlichen und nachhaltig integrierten Gesamtprozesses dar. In einer neu errichteten Pilotanlage werden alle Verfahrensschritte abgebildet, um aus Holzhackschnitzeln, Rinde oder Stroh die Zwischenprodukte Lignin, Glucose und Xylose zu gewinnen. Die Anlage dient neben der weiteren Prozessentwicklung und -optimierung vor allem der Bereitstellung größerer Probenmengen an Lignin und Zuckerfraktionen zur Weiterverarbeitung in den geplanten Anwendungsfeldern. Der Prozess basiert auf einem Organosolv-Verfahren, das sich für die Fraktionierung von Laubholz oder Stroh sehr gut eignet. Während des Prozesses wird durch einen Druckaufschluss mit Ethanol-Wasser-Gemischen neben Cellulose und Hemicellulose schwefelfreies Lignin hergestellt (Abb.1 und Abb.2). Eine Komponententrennung und enzymatische Spaltung der Polysacharide liefert schließlich C5- und C6-Zuckerfraktionen, die nachfolgend als biobasierte Kohlenstoffquelle biotechnologisch und chemisch in Plattformchemikalien umgewandelt werden können. Die zur Verfügung stehende Pilotanlage ist für eine wöchentliche Verarbeitungskapazität von ca. 1t Holz ausgelegt und kann in einer quasi kontinuierlichen Fahrweise betrieben werden. Im Folgenden sollen einige Beispiele die Verwertung der erhaltenen Fraktionen aufzeigen. Lignin als Aromatenquelle Lignin stellt die größte nachhaltig verfügbare Aromatenquelle dar. Unter Erhalt der polymeren Struktur wird Lignin in technischen Maßstab für die Anwendung z.B. in Bindemitteln, als Zementzusatz oder in Kautschukadditiven genutzt. Durch die Spaltung des phenolischen Makromoleküls Lignin lassen sich Gemische aromatischer Synthesebausteine erhalten, die als direkter Rohstoff, z.B. für Phenol-Formaldehydharze, Polyurethane oder in Epoxiden, eingesetzt werden können oder sich nach weiterer Auftrennung und Defunktionalisierung zu den klassischen Aromatenbausteinen Benzol, Toluol, Xylol konvertieren lassen. Hierfür eignen sich unterschiedliche Verfahren wie Hydrolyse, oxidative und reduktive Spaltungen oder enzymatische Umsetzungen. Großtechnisch wird bisher nur die oxidative Spaltung von Zellstoff-Lignin zu Vanillin realisiert. Für andere Ansätze werden bis heute noch keine industriellen Verfahren beschrieben [4]. Der Prozess der basenkatalytischen Spaltung von Lignin führt zur Hydrolyse der Aryl-Aryl-Ether und Aryl-Methylether des Ligninmakromoleküls und der Bildung von monomeren Alkoxy-Phenolen und Catecholen sowie dimeren und oligomeren alkylfunktionaliserten aromatischen Verbindungen (Abb.3) [5]. In wässrigen oder alkoholischen Systemen wird die basenkatalysierte Reaktion bei Temperaturen von bis zu 350°C bei 250?bar durchgeführt. Am Fraunhofer CBP ist die Auslegung dieses Prozesses im Pilotmaßstab geplant. In einer mehrstufigen Prozessauslegung werden das kontinuierliche Verfahren der chemischen Spaltung von Lignin und die anschließende Abtrennung und Aufreinigung der Aromatenfraktionen untersucht und optimiert. Neben der Bereitstellung relevanter Probemengen für Folgeprozess soll vor allem die Integration der basenkatalytischen Spaltung als Technologiemodul in eine Bioraffinerie evaluiert werden. Biobasierte Olefine Eine weitere Verwertungsstrategie, die wir zusammen mit anderen Forschungspartnern verfolgen, ist die Herstellung biobasierter Olefine als Synthesebausteine für die Produktion von nachhaltig erzeugten Materialien und Werkstoffen. Ausgehend von den aus der Lignocellulose-Bioraffinerie gewonnen C5- und C6-Zuckern werden nach einer Fermentation die Alkohole Ethanol, Propanol und Butanol gewonnen, die durch Dehydratisierung in die korrespondierenden Olefine Ethylen, Propylen und Butylen umgewandelt werden. Die industrielle Herstellung aus biobasierten Rohstoffen wie Zuckerrohr wird für die Olefine Ethylen und Propylen bereits realisiert [6]. Gegenüber dem Stand der Technik zur Erzeugung biobasierter Olefine verfolgen wir den Ansatz der Herstellung der Olefine aus wässriger Alkohollösung (min. 40 Gew.%) in heterogener Phase. Hierdurch kann das Alkoholgemisch ohne aufwändige Vorkonditionierung kostengünstiger verwertet und in wesentlich größeren Mengen zur Verfügung gestellt werden als aus zucker- oder stärkehaltigen Rohstoffen, die in Konkurrenz zu Nahrungs- und Futtermitteln stehen. Die anschließende katalytische Dehydratisierung erfolgt unter erhöhten Drücken bei bis zu 40bar und Temperaturen von bis zu 450°C. Am Fraunhofer CBP stehen für die einzelnen Verfahrensschritte vielfältige Technikums- und Pilotanlagen zur Verfügung, um die Abbildung des integrierten Gesamtprozesses darzustellen und eine energieeffiziente und ökonomische Prozessauslegung entwickeln zu können. So können mit einer Fermentationskapazität von bis zu 10m3 die aus Lignocellulose gewonnen Zuckern biotechnologisch in relevante Alkoholmischungen umgewandelt werden. Die katalytische Reaktion der Alkohole wird nachfolgend für eine kontinuierliche Betriebsweise mit einer Kapazität von bis zu 10kg/h Produktstrom ausgelegt. Die Aufreinigung der gasförmigen Olefine wird in aktuellen Projekten intensiv untersucht, um industrierelevante Produktqualitäten, z.B. zur Herstellung von Polymeren, erzeugen zu können. Fazit Die modular aufgebauten Technikums- und Pilotanlagen am Fraunhofer CBP erlauben eine optimale Prozessauslegung und -anpassung der untersuchten Verfahren bis hin zur Marktreife. Die einzelnen Unit-Operations sind zudem variabel einsetzbar und ermöglichen dadurch die Abbildung integrierter chemischer oder biotechnologischer Prozesse. Literatur
[1] Chemie Report Spezial, Verband der Chemischen Industrie e. V.(VCI), Frankfurt, 2012. Foto: © panthermedia | Einar Muoni |
C&M 6 / 2012Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download Die Autoren:Weitere Artikel online lesenNewsAhlborn GmbH: Hochgenaue Temperaturmessung mit digitalen FühlernBei über 80 % aller industriellen Messaufgaben werden Temperaturen gemessen. Wichtig ist das Zusammenspiel von Messgerät und Fühler sowie die verwendete Technologie. Aus der Präzisionsschmiede, der Firma Ahlborn aus Holzkirchen bei München, kommt jetzt ein Messsystem für hochgenaue Temperaturmessung, das nicht nur im Labor verwendet werden kann.© Ahlborn Mess- und Regelungstechnik GmbH |