Collaborative Prozessleitsysteme
Collaborative ProzessleitsystemeDas Gehirn der ProduktionProzessleitsysteme verknüpfen Mess- und Stellgeräte mit den zur Steuerung und Überwachung verfahrenstechnischer Prozesse notwendigen Algorithmen und Automatisierungsprogrammen. Dem Prozessleitsystem kommt eine Schlüsselrolle zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit einer Produktionsanlage zu. Es verzahnt die Produktion mit betriebswirtschaftlichen Anwendungen und bietet eine wichtige Plattform für kontinuierliche Verbesserungsprozesse und die Zusammenarbeit der verschiedenen Domänenexperten. In den 50er-Jahren wurde damit begonnen, Computer zur Steuerung petrochemischer Anlagen einzusetzen. Seither hat sich der Begriff Prozessleitsystem (englisch Distributed Control System, DCS) etabliert. 2002 hat das Beratungsunternehmen ARC den Begriff „Collaborative Process Automation System“ (CPAS) definiert, um den inzwischen erreichten Stand der Technik begrifflich vom althergebrachten DCS abgrenzen zu können [1]. Das Wort „Collaborative“ drückt dabei aus, dass ein Leitsystem keine isolierte Insellösung mehr sein kann, sondern integraler Bestandteil eines komplexen Umfelds ist. Um erfolgreich produzieren zu können, müssen Anlagenfahrer, Wartungs- und Produktionstechniker, Prozess- und Anlagenexperten, Kaufleute sowie Zulieferer möglichst reibungslos miteinander kooperieren können. Der Standard ISA-95 (IEC 62264) modelliert typische dafür notwendige Funktionen und die Schnittstellen zwischen ihnen. Betriebswirtschaftliche Software (ERP Enterprise Resource Planning) wird der Ebene 4 zugeordnet, die darunterliegende Ebene 3 wird auch MES (Management Execution System) oder CPM (Collaborative Production Management) Ebene genannt. Trend zu Ethernet Ein Prozessleitsystem muss Komponenten verschiedener Anbieter integrieren können. Da viele Anlagen mit der Zeit gewachsen sind, muss das Leitsystem auch mit älterer Technik ausgestattete Teilanlagen harmonisch in ein Gesamtsystem integrieren können. Zwar spielt die analoge Anbindung von Feldgeräten auch bei Neuanlagen noch eine wichtige Rolle, aber es ist ein klarer Trend zu digitalen Feldbussen und auch zu Ethernet in der Prozessleittechnik zu verzeichnen. Um die erweiterten Möglichkeiten digitaler Feldgeräte beispielsweise zur Eigendiagnose und zentralen Kalibrierung wirklich nutzen zu können, muss Inbetriebnahme- und Wartungspersonal entsprechend geschult und leistungsfähige Engineeringumgebungen bereitgestellt werden. Mit dem neuen Standard Field-Device-Integration FDI [2] (die IEC-Version 62769 ist in Arbeit) wird es in Zukunft möglich sein, Feldgeräte unterschiedlicher Hersteller aus einheitlichen Werkzeugumgebungen heraus zu bearbeiten. In der Vergangenheit wurden Prozess- und elektrische Automation häufig über separate Leitwarten bedient. Moderne CPAS Systeme wie ABB 800xA ermöglichen mithilfe des Standards IEC 61850 eine einheitliche Bedienung. Die Gesamtanlage kann somit besser und mit weniger Personal gefahren werden.
Abb.1.: Gestensteuerung in Leitwarten ermöglicht es schnell zu Detailinformationen zu navigieren.
Objektorientierte Weiterentwicklung IEC 61131-3 definiert die Sprachen für Automatisierungsprogramme: Anweisungsliste, Kontaktplan, strukturierter Text, Funktionsbaustein- und Ablaufsprache. Nahezu alle großen Hersteller unterstützen diese Sprachen zumindest teilweise. Somit können Programmierer ihr erlerntes Know-how zwischen Systemen verschiedener Hersteller transferieren. Derzeit ist die dritte Edition des Standards – die als wichtige Neuerung Objektorientierung hinzufügen wird – im Abstimmungsprozess. Die auf IEC 61131 basierende Norm IEC 61499 bietet gute Ansätze zur komponentenbasierten Softwareerstellung und ereignisgesteuerten Ausführung von Programmen. IEC 61499 ist eine gute Basis für dezentrale Regelungsszenarien. Allerdings hat sich IEC 61499 seit der Veröffentlichung 2005 bisher noch nicht sehr weit verbreiten können. Leitsysteme der Zukunft
Der Standard OPC (ursprünglich OLE for Process Control, www.opcfou Zum einen gibt es die wirtschaftliche Notwendigkeit, die Produktion immer besser mit ihrer Umgebung zu vernetzen, zum anderen hat die Stuxnet-Attacke auf das iranische Atomprogramm gezeigt, dass selbst gut gesicherte Anlagen angreifbar sind. Der Stuxnet-Virus blieb über viele Monate unentdeckt und hat in dieser Zeit unzählige Zentrifugen unbrauchbar gemacht. Produktionsanlagen müssen noch stärker als bisher gegen kriminelle und kriegerische Virusattacken abgesichert werden. Zukünftige Prozessleitsysteme müssen einfach zu konfigurierende und robuste Sicherheitsmechanismen anbieten, die weit über die heutigen Firewalls und Virenscanner hinausgehen. Der Mensch im Fokus Ein weiteres Kernanliegen von collaborativen Prozessleitsystemen besteht darin, die Anlagenfahrer möglichst gut bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Das fängt bei ergonomischen Aspekten wie höhenverstellbaren Möbeln an, die leicht für große wie für kleine Anlagenfahrer in sitzender wie stehender Position anpassbar sind. Derzeit wird die Gestensteuerung für ihre Eignung in Prozessleitwarten getestet (Abb. 1). Langfristig kann sie Anlagenfahrer mit einer sehr natürlichen Interaktion mit Großbilddarstellungen unterstützen. Gerade wenn es für Teams aus mehreren Experten gilt, unter Zeitdruck schwierige Situationen in den Griff zu bekommen, macht die effiziente Unterstützung durch das Prozessleitsystem den entscheidenden Unterschied aus. Literatur
[1] Hollender, M. (2009): „Collaborative process automation systems“. ISA, North Carolina. Foto: Panthermedia/Konrad Bak |
C&M 1 / 2012![]() Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download Der Autor:NewsAhlborn GmbH: Hochgenaue Temperaturmessung mit digitalen FühlernBei über 80 % aller industriellen Messaufgaben werden Temperaturen gemessen. Wichtig ist das Zusammenspiel von Messgerät und Fühler sowie die verwendete Technologie. Aus der Präzisionsschmiede, der Firma Ahlborn aus Holzkirchen bei München, kommt jetzt ein Messsystem für hochgenaue Temperaturmessung, das nicht nur im Labor verwendet werden kann.© Ahlborn Mess- und Regelungstechnik GmbH |