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C&M-4-2012 > „Production Intelligence“ für optimierte und energieeffiziente Prozesse

„Production Intelligence“ für optimierte und energieeffiziente Prozesse

Nachhaltigkeit sichern

Sowohl die Pharma- wie auch die Chemische ­Industrie stehen zunehmend unter dem Druck eines gravierenden Strukturwandels. Die Aus­wirkungen dieses Wandels werden auch die Rolle der Produktionsbereiche in den Unternehmen ­verändern. Alle Funktionsbereiche in den Unternehmen müssen sich stärker als bisher an den ­Anforderungen der Endkundenmärkte ausrichten, was eine stärkere Ausrichtung von Produktions­zielen an den Unternehmenszielen erfordert. Dabei wird die Flexibilität einer Produktion als Maß für die Reaktionsfähigkeit am Markt eine zentrale Rolle spielen. Um das Ziel einer hohen Flexibilität zu erreichen, muss im Produktionsumfeld mit der Einführung eines ganzheitlichen Konzeptes reagiert werden. Hier existieren in Unternehmen ­jedoch vielfältige Grenzen, die es in der Umsetzung zu überwinden gilt [1]. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um System-, Abteilungs-, Medien-, Wissens- oder Standortgrenzen handelt.

Production Intelligence als unternehmensweites Konzept

Mit Production Intelligence wird gemäß Abb. 1 ein Konzept vorgeschlagen, das als Basis für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen dienen kann. Production Intelligence greift dabei auf vorhandene Konzepte und Methoden zurück, setzt sie in einen Bezugsrahmen zueinander und definiert eine informationstechnische Struktur, um die entstandenen Prozesse nachhaltig zu implementieren und operativ zu stützen.

Gerade auf die Produktionsbereiche der Unternehmen wird eine neue Rolle zukommen. Die Produktion wird zunehmend in kleinen Mengen bzw. Losen erfolgen. Eine damit verbundene nachfragegetriebene Auftragsabwicklung erfordert die verstärkte Einführung logistischer Konzepte, wie dies in anderen Industrien bereits der Fall ist. Schlagworte hierzu sind z.B. Variantenmanagement, Mass Customization oder die Einführung einer Push-Pull-Strategie. Gekoppelt ist dies mit einem weiter zunehmenden ­Kostendruck.

Der Trend der Vergangenheit hin zu einem stetig steigenden Automatisierungsgrad führte durch die damit verbundenen Effi­zienzsteigerungen zwar zu einer signifikanten Reduktion der Produk­tionskosten. Der Nachteil eines hohen Automatisierungsgrades liegt in einer geringeren Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umgebungsbedingungen, z.B. bei Nachfrageschwankungen. Um diesen Nachteil zu kompensieren sind hohe und damit kapitalintensive Bestände in der Supply Chain erforderlich.

Im Spannungsfeld zwischen Flexibilität und hohem Automatisierungsgrad

Vor diesem Hintergrund muss es Ziel sein, flexibel zu entscheiden, wie sich jeder einzelne Prozess in seinen automatisierten und manuellen Anteilen zusammensetzen soll.

Eine flexible Produktion ist ohne die Erfahrung und das Wissen der Mitarbeiter, die mit und am Prozess arbeiten, unmöglich. ­Daher muss ein ganzheitliches Produk­tionssystem auf den Menschen und seine Fähigkeiten ausgerichtet sein. Es gilt, ihn einerseits bei der Bearbeitung von Rou­tineaufgaben zu entlasten bzw. zu unterstützen, andererseits in komplexen Situa­tionen geeignet zu führen.

Zwar kommen inzwischen im Bereich der Produktion in der Prozessindustrie moderne Optimierungstechniken zum Einsatz, ein nachhaltiger Erfolg ist hierbei aber weit­gehend ausgeblieben. Der Einsatz produktionsnaher Informationssysteme wie Manufacturing Execution Systeme (MES) unterstützt dabei in Ansätzen die Realisierung erforderlicher Leistungssteigerungen.

Herkömmliche Manufacturing – Execution Systeme oft nicht ausreichend

Hauptziel dieser Systeme ist, die produk­tionsnahen Geschäftsprozesse gezielt zu unterstützen und die informationstechnische Lücke zwischen den Informationssystemen zur Geschäftsplanung (Enterprise Resource Planning-Systeme) und den ­Automatisierungssystemen zu schließen.

Im Hinblick auf den Austausch von Daten und Informationen ist dieser Lückenschluss durch die MES in vielen Fällen gelungen, im Hinblick auf eine Prozessintegration gibt es aber noch immer Defizite. MES ­fokussieren die Betrachtung zu sehr und meist ausschließlich auf die Belange der Produktion. Eine Betrachtung der Rolle der Produktion im Kontext einer übergeordneten Unternehmensstrategie findet kaum statt.

Verdeutlichen lässt sich dies am Umgang mit dem Thema Kennzahlen. Die ausgewählten Kennzahlen entstammen häufig einer isolierten Betrachtung der Produktion und sind in der Regel nicht aus der Unternehmensstrategie abgeleitet. Die Ergebnisse einer Studie der Manufacturing Enterprise Solutions Association (MESA) [2] zeigen aber, dass erfolgreiche Unternehmen sich gerade in der Verbindung von Business und Produktionskennzahlen hervorheben. Dies wird durch die Art und Weise der derzeitigen Implementierung von MES gegen­wärtig nicht systematisch unterstützt.

Systematische Unterstützung von KVP

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil von Production Intelligence ist die Etablierung eines Workflowsystems zur fortlaufenden Unterstützung von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen (KVP) [1]. Konzeptionelle und technische Basis eines solchen Ansatzes ist eine leistungsfähige Workflow Engine, die jedoch nicht nur die standardisierten Prozesse z.B. in Einkauf, Produk­tion und Vertrieb steuert, sondern auch in der Lage ist, Ereignisse wie tatsächliche oder prädizierte Zielabweichungen zu bewerten und im Rahmen eines Eskalationsmanagements geeignete Fehlerbehandlungs- oder KVP-Maßnahmen anzustoßen. Dabei kann es sich zunächst um Standard-Korrekturroutinen in Form von Regelkreisen handeln.

Führen solche Korrekturroutinen jedoch nicht zum Erfolg oder stehen nicht zur Verfügung, sind Workflows z.B. in Form von PDCA-Zyklen zu initiieren. Gerade die Bearbeitung solcher Analysezyklen mit den Phasen Plan, Do, Check und Act gemäß Abb. 2 fordert die Bereitstellung sehr flexibler Workflows. Zwar ist die Bearbeitung der Phasen zunächst streng vorgegeben. Die Festlegung der Maßnahmenplanung, die bedarfsgerechte Bereitstellung von Analysedaten inklusive geeigneter Analysewerkzeuge, die Dokumentation der durchzuführenden Bearbeitungsschritte sowie die Maßnahmenverfolgung einschließlich der Kontrolle der Zielerreichung müssen aber für jede Problemstellung individuell ausgestaltet werden können.

Energiemanagement im Fokus von Green Production

Genau an dieser Stelle kommt es nun zu einer sehr interessanten Verbindung von Production Intelligence zum aktuellen Trendthema von Green Production, das das zunehmende Interesse der Industrie an nachhaltigen, Ressourcen schonenden und energieeffizienten Verfahren spiegelt. Für die Realisierung spielt die Einführung eines Energiemanagementsystems (EnMS) gemäß DIN EN ISO 50001 eine zentrale Rolle. Ziel solcher Systeme ist es vor allem, einen Beitrag der Industrie zur Umsetzung der internationalen Energie- und Klimapolitik zu leisten. Operativ schaffen sie eine Struktur, die die Erzielung einer größeren Energie­effizienz in Unternehmen unterstützt. Dies gilt in besonderem Maße für energie­intensive Unternehmen, denn für sie besteht das größte Kosteneinsparungspotential hinsichtlich sowohl Energieeinsparung als auch der Begrenzung der Kosten für die Ökosteuer nach dem Erneuerbare Energien Gesetz. Um diese Kostenbegrenzung beantragen zu können, ist ab dem 01.01.2013 ein zertifizierter Nachweis zu erbringen, der den Energieverbrauch genauso erhebt und bewertet wie die Potentiale zur Energieeinsparung. Im Rahmen der Zertifi­zierung ist dabei u.a. die praktische Anwendung des entwickelten und eingeführten Energiemanagementsystems zu demonstrieren und seine Wirksamkeit nachzuweisen.

In [3] wird detailliert beschrieben, wie die Einführung eines EnMS unter Nutzung der PDCA-Vorgehensweise erfolgen kann. Die Basis IT-gestützter Energiemanagement­systeme bilden dabei die umfassende und effiziente Datenaufzeichnung aus heterogenen Datenquellen, die Verfügbarkeit ­leistungsfähiger Analyse- und Auswertefunktionen mit einer benutzer­gruppen­orien­tierten Informationsbereitstellung (z.B. ­Management, Werksleitung, Controlling, Energiemanager, usw.), der Bereitstellung aller definierten Kennzahlen mittels (Standard-) Reports, einer interaktiven Drill-Down-Funktionalität und der Verknüpfung zu speziellen Datenanalysewerkzeugen, sowie ein PDCA-gestütztes Maßnahmenmanagement.

Nach Bestandaufnahme und Implementierung können dann sowohl langfristige (strategische) wie auch kurzfristig zu ­realisierende (operative) Ziele des Energie­managements unter Nutzung von KVP-Workflows aus dem Production Intelligence-Ansatz zur Unterstützung der Zielerreichung genutzt werden.


Abb.1 Konzeptioneller Bezugsrahmen von Production Intelligence
Grafik: © PI-Institute


Abb.2 Der PDCA-Zyklus – Ein Instrument der kontinuierlichen Qualitätsverbesserung

KVP-Maßnahmenverfolgung im Energiemanagement

Als Beispiel für den wichtigen Aspekt der KVP-Maßnahmenverfolgung als Bestandteil von Production Intelligence wird die Analyse der Drucklufterzeugung in einem Unternehmen nach Einführung eines EnMS auf Basis der nun erfassten Prozessdaten und Verfolgung der Projektphasen mit ­Hilfe eines KVP-Workflows betrachtet.

In der Phase Plan wurden zunächst die Ziele für die Optimierung der Druckluft­versorgung, das Vorgehen im KVP-Projekt sowie die Erfassung und Zusammenführung der benötigten Prozessdaten definiert. Die Phase Do beinhaltete die technische Überprüfung der Druckluftverteilung durch kontinuierliche Messungen bei abgeschalteter Drucklufterzeugung. Die Erkennung und Beseitigung vorhandener Leckagen erfolgt in der Phase Check. Die Einführung einer kontinuierlichen Wartung zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Optimierungsmaßnahme beendet mit der Phase Act den Workflow. Insgesamt konnte das Unternehmen ca. 612.00kWh Strom pro Jahr ­einsparen. Dies entspricht einer Kostenreduzierung um 32.000 € pro Jahr.

Fazit und Ausblick

Gerade die operative Umsetzung von für die Gesellschaft wichtiger Energie- und Klimaziele unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitszielen produzierender Unternehmen wird in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Production Intelligence bietet ein sehr universelles Konzept für eine konsistente Integration der betei­ligten Produktions- und Businessprozesse, nicht nur aber gerade auch im Hinblick Green Production.

Literatur:
[1] Estler, M. & Ewen, J., [2011] pharmind. 73, Nr. 3, 566-573

[2] MESA International [2010], Correlating Plant Performance to Business Performance, https://services.mesa.org/resourcelibrary/showresource/8e7de926-3baf-4525-ba72-7f7c960b751b (letzter Zugriff am 15.06.2012)

[3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit [2010], Energiemanagementsysteme in der Praxis – DIN EN 16001: Leitfaden für Unternehmen und Organisationen

Foto: © panthermedia | vishnukumar sivaraman + froxx

Stichwörter:
Production, Intelligence, KVP, Manufracturing, Automatisierungsgrad,

C&M 4 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 4 / 2012.
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