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C&M-6-2012 > Multifunktionale Produktmarker – eine neue Dimension für die Produktauthentifizierung

Multifunktionale Produktmarker – eine neue Dimension für die Produktauthentifizierung

Hightech-Piratenjagd

Stellen Sie sich vor, es wird Öl an einer Küste angeschwemmt, weil ein Schiff seine Ölreste verklappt hat. Ein riesiger Ölteppich treibt auf der Wasseroberfläche und niemand kann dafür verantwortlich gemacht werden, weil die Umweltverschmutzung eindeutig dem Schiff oder der Reederei zugeordnet werden muss, um weitere rechtliche Schritte einzuleiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In unserem Fall jedoch untersucht ein Beamter der Küstenwache eine zuvor genommene Probe des Öls mit einem speziellen optischen Detektor und einem Röntgen-Fluoreszenz-Spektrometer und stellt fest, dass das Öl von einer Reederei stammt, deren Schiff tags zuvor im nahen Hafen seine Ladung gelöscht hat. Das Öl lässt sich eindeutig der Reederei zuordnen und somit ist der Verursacher gefunden.

Zukunftsmusik? Nein. Denn die Techno­logie für dieses Verfahren gibt es bereits, nur die Politik hat hierfür noch keine Grundlage geschaffen. Die Firma Polysecure­ in Freiburg/Breisgau hat Verfahren ent­wickelt, mit denen man robuste keramische und optische Marker in unterschiedlichste Materialien und Rohstoffe einbringen und somit zweifelsfrei ein mögliches Plagiat erkennen oder ein Material oder Produkt dem Hersteller zuordnen kann. Eine Technik, die enorme Anwendungsmöglichkeiten bietet.

Laut VDMA, dem Verband deutscher Maschinen­ und Anlagenbauer, beläuft sich der Umsatzverlust durch Produktpiraterie im deutschen Maschinen- und Anlagenbau mittlerweile auf 7,9Mrd. Euro jährlich. Eine Summe, die man in dieser Höhe nicht vermutet. Durch robuste, fälschungssichere Marker ließe sich diese Summe sicher verringern und so mancher Produktpirat würde­ möglicherweise aus Angst vor dem Nachweis der Fälschung seine Totenkopfflagge im Schrank verschwinden lassen.

Produkte, die in irgendeiner Form markiert und somit eindeutig dem Hersteller zuzuordnen sind, wurden bisher überwiegend mit Oberflächentechniken behandelt, mit RFID-Chips bestückt, mit Lasern markiert oder mit Etiketten beklebt. Mit dem Nachteil, dass nur Teile des Produktes mit dem Marker versehen sind und unter Um­ständen durch äußere Einflüsse wie mechanischen­ Abrieb, hohe Temperaturen oder chemische Reaktionen nicht mehr eindeutig identifizierbar sind. Mit RFID-Chips bestückte Produkte sind ebenfalls nicht in jedem Bereich des Teiles nachweisbar und dazu thermisch nur bis etwa 200°C belastbar.

Hightech-Markierung im Material des Produktes

Die Marker sind nicht nur auf den Ober­flächen der Produkte zu finden, sondern im Produkt selbst. Es handelt sich um optische­ und keramische Marker, die als inerte, temperatur- und mechanisch stabile Pulver homogen in den Werkstoff des zu markierenden Produkts eingebracht oder als Markertropfen punktuell in Bohrungen gespritzt werden.

Die Größe der Markerpartikel kann zwischen­ 0,2 und 200 qm auf die Anfor­derungen des Produkts hin eingestellt werden­. Bei homogener Einmischung des Markers in ein Material liegt die geeignete Konzentration des Markerpulvers zwischen 200 und 600 ppm, abhängig vom Umfang der Sicherheitsmerkmale und von den Eigen­schaften des zu markierenden Materials­ selbst.

Die Marker werden in der Regel nicht als reine Pulver an Kunden geliefert, sondern als anwendungsorientierte Formulierung. Im Kunststoffbereich werden die Marker zumeist in Masterbatches eingearbeitet. Für Lacke und Farben ist ebenso eine Paste liefer­bar.

Die Idee des fälschungssicheren Markers

Aufgrund der geringen Größe und Beschaffenheit der Marker kann dieser in Kunststoffen, Lacken, Druckfarben oder Klebstoffen ebenso eingebracht werden wie in Dichtungsmassen, Papieren oder Metallen. Im Grunde ist er in jedem Material­ einsetzbar, bei dem die Herstelltemperatur den Marker selbst nicht zerstört. Eine Temperat­urstabilität ist bis zu 2.000 Grad gegeben­.

Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich auch, dass die Marker selbst bei einem Brand noch in kleinsten Teilen des Materials­ nachweisbar sind und dadurch unter anderem­ auch neue Perspektiven im Hinblick auf Produkthaftungsfragen aufzeigen.

Das Labor der Freiburger ist technisch auf dem neuesten Stand. Die Vakuumtechnik für das Entwicklungs- und Produktions­labor kommt von Vacuubrand. Der Wertheimer Vakuumsystemlieferant bestückte die beiden­ Rotationsverdampfer mit seinen drehzahl­geregelten VARIO® Membranpumpen, wie auch die zum Einsatz kommenden Trocknungsgeräte und einen Extruder.

Labor uns Vakuum

Mit der Automatikfunktion und der VARIO® Technologie kann ein Probengemisch im Rotations­verdampfer ohne Aufsicht sicher verdampft werden und das sogar mit bis zu 30% kürzeren Prozesszeiten im Vergleich zu konventionell geregelten Systemen. Möglich wird das erst durch die automatische Siedepunktfindung und Nachführung des Vakuum Controllers CVC 3000, der auch die Drehzahl der Pumpe regelt.

So stellten sich gerade zu Anfang der Produktionsphase der Marker im Kunststoffbereich enorme Herausforderungen mit der Aus­gasung des Materials im Extruder, die man aber durch die Optimierung und Anpassung der Controller-Parameter im Membranpumpstand in kurzer Zeit optimal in den Griff bekam. Der Extruder liefert durch ein konstantes­ Vakuum im abgeschlossenen System jederzeit reproduzierbare Ergebnisse. Gleichzeitig lassen­ sich die Controllerdaten über die integrierte­ Schnittstelle dokumentieren und auswerten.

Die Produktionskapazitäten sind im Unternehmen so ausgelegt, dass man kleine, aber auch größere Aufträge bedienen kann. Der Upscale der Produktionsmöglichkeiten in neuen Räumlichkeiten hat bereits begonnen.

Einsatzfelder durch Anfragen der Kunden

„Durch Kundenanfragen bekommen wir ständig neue Ideen für Anwendungsgebiete, die wir vorher so noch gar nicht in Betracht gezogen hatten“ erklärt Dr. Thomas­ Baque, einer der Gründer von Polysecure. Beispielsweise ließen sich auch hochwertiges Pflanzenschutzmittel und Saatgut mit dem Marker kennzeichnen, da das Markermaterial absolut ungiftig und neutral ist. Er erzählt von der Anfrage eines großen Herstellers, der in der Vergangenheit erhebliche Probleme mit falsch deklariertem Saatgut und dadurch erhebliche Umsatz­einbußen hatte. Zusätzlich ist der daraus resultierende Imageschaden aufgrund der Unzufriedenheit der Kunden, die davon ausgingen, sein Saatgut gekauft zu haben, mit Geldbeträgen gar nicht zu beziffern. Durch eine Markierung seines Materials hätte er die Möglichkeit, Betrüger zu entlarven­ und nachzuweisen, dass es sich beim verwendeten Material nicht um sein Produkt gehandelt hat.

Ebenso denkbar sind variable Markierungen­ von Bauschaummaterial, das je nach Beschaffenheit für unterschiedliche Einsatzgebiete geeignet ist. Hier ließe sich in der Bauindustrie nicht nur nachweisen, ob das falsche oder für den Einsatzzweck unge­eignete Schaummaterial verwendet wurde, sondern unter Umständen auch das Herstelljahr und somit das Alter des Schaumes.

Nachweis des Markers

Je nach Kundenwunsch und Anforderung können die Marker mit bis zu 3 Sicherheitsmerkmalen ausgestattet werden: mit einer charakteristischen Fluoreszenz, einem Produktcode, vergleichbar mit einer DNA sowie einem Strukturfingerabdruck.

Die charakteristische Fluoreszenz kann durch geeignete Infrarot-LED-Stifte erzeugt werden. Sie ist mit dem bloßen Auge sichtbar. Für den eindeutigen Nachweis steht ein spezieller kleiner optischer Detektor zur Verfügung. Der Produktcode wird mit einem mobilen Röntgenfluoreszenz­spektrometer, das die Größe einer Schlagbohrmaschine hat, ausgelesen. Im Gegensatz dazu erfordert der Strukturfingerabdruck die Herauslösung des Markers aus einem kleinen Stück des markierten Produkts. Der Struktur­fingerabdruck ist das Ergebnis von zufälligen­ Prozessdetails eines jeden Markerbatchs. Er kann daher prinzipiell nicht kopiert werden.


Laborextruder für die Erstellung von Marker-Masterbatches


Markerpulver mit unterschiedlichem
Anti-Stokes-Effekt


Mobiler Detektor bei der Identifikation
eines Bauteiles

Überschaubare Kosten

„Neben den technischen Vorteilen, die die Technologie zweifelsfrei bietet, ergibt sich für die Anwender auch ein wirtschaftlicher Nutzen: Originalhersteller können sich einer­seits am Ort des Geschehens klar von minderwertigen Plagiaten absetzen und so ihr Image wahren und ihren Verkaufspreis stabilisieren. Ferner werden Plagiateure durch eine robuste Markierung abgeschreckt. Sie kopieren andere, nicht markierte­ Produkte. In der Folge wird der Originalhersteller ­einen Teil des an Plagiateure­ verlorenen Umsatzes zurückholen. Die Erfahrung zeigt, dass diese Vorteile die Kosten der Markierung in aller Regel übersteigen“, so Jochen Mößlein, neben Dr. Baqué geschäftsfüh­render Gesellschafter bei Polysecure.

Gerade bei Massenprodukten wie etwa bestimmten­ elektrischen Schaltern, die millionen­fach produziert werden, könnte eine Markierung mit derselben Robustheit und zusätzlicher Fälschungssicherheit kaum wirtschaftlicher durchgeführt werden. Die Sicherheitsrelevanz dieser Teile mit sehr hohem Flammschutz zieht im Brandfall auch ein enormes Produkthaftungsrisiko mit sich. Würde im Schadensfall ein zweifels­freier Nachweis geführt werden können, dass das Originalprodukt des Herstellers nicht verwendet wurde, reduzierte sich das Risiko, in die Haftung zu geraten, erheblich.

Moderner Piraterie begegnen

In einer Umfrage des VDMA unter seinen Mitgliedern im März 2012 stellte sich heraus, dass bereits rund 2 Drittel der Firmen nachgebaute Versionen ihrer eigenen Produkte auf Messen entdeckt hatten. Mittlerweile sollen Plagiate bereits über 10% des Welthandels ausmachen. Betroffen sind dabe­i sowohl die Konsumgüter- als auch die Investitionsgüterindustrie, bei Letzt­genannter vor allem im Bereich der Ersatzteile. Die Thematik der Produktpiraterie wird fast alle Branchen und Industriezweige noch lange beschäftigen, nicht nur im Hinblick auf die zunehmende Globalisierung­. Vielleicht kann diesem Trend durch innovative Ideen und Hightech-Lösungen wie die der Freiburger Polysecure in Zukunft besser begegnet werden. Sollte diese Technologie sich durchsetzen, wird man die berüchtigte Totenkopfflagge auf den „Weltmarktmeeren“ sicher nicht mehr so häufig sehen.

Foto: © panthermedia | Dmytro Sidelnikov

Stichwörter:
Ölteppich, Röntgen-Fluoreszenz-Spektrometer, Reederei, Polysecure, VDMA, Oberflächentechniken, RFID-Chips, Lasern, VACUUBRAND, CVC 3000, Bauschaummaterial, Infrarot-LED-Stifte,

C&M 6 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 6 / 2012.
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